Andreas Urs Sommer: Die Münzen des Byzantinischen Reiches 491-1453. Mit einem Anhang: Die Münzen des Kaiserreichs von Trapezunt. Battenberg Verlag, Regenstauf, 2010. 524 Seiten, 49,90€. ISBN 978-3-86646-061-4.
Es gibt Bücher, auf die wartet man, bis sie endlich geschrieben werden. Und so fehlte bislang einfach eine “einigermaßen umfassende (Darstellung) der byzantinischen Münzprägung von 491 bis 1453 n. Chr. in deutscher Sprache“ (Sommer, S.7). Und jetzt ist sie da.
Wer sich an so etwas als Autor heranmacht, handelt sich gleich eine Menge Kritiker ein: Die Preise stimmen so nicht, warum fehlt diese Münze, die Abbildungen sind nicht gut, die Auswahl ist zu subjektiv und so weiter; schon Luther wusste:
»Wer am Wege bauet, der hat viel Meister«.Deshalb tut man als Leser gut daran, um falschen Vorstellungen vorzubeugen, zunächst einmal das zu lesen, was dem Katalog vorangestellt ist: das Vorwort und das Kapitel: Wie ist dieser Katalog aufgebaut?
Das Wichtigste hier in Kürze:
1. "Das Buch „beansprucht nicht, ein vollständiger Typenkatalog zu sein (…) sondern für Sammler, Händler und Historiker eine repräsentative Übersicht (…) zu geben. Darüber hinaus bietet dieser Katalog aber auch eine ganze Reihe bislang unpublizierter Stücke“ (S.7)
2. „Die hier vorgestellten byzantinischen Münzen stammen mit Ausnahme von einem guten halben Dutzend Raritäten (…) aus einer Privatsammlung, die während der letzten 25 Jahre aufgebaut worden ist und heute rund 4000 Stück umfasst (S.7)
3. „Der Hauptzweck dieses Buches ist, byzantinische Münzen leicht bestimmbar und damit einem weiteren Publikum zugänglich zu machen“ (S.8 ).
Fangen wir mit dem zweiten Punkt an. Hier wird eine Privatsammlung vorgestellt. Das ist als Konzept eines Bestimmungsbuches ungewöhnlich und bringt gewöhnlich Probleme mit sich.
Die Sammlung ist exquisit und breit angelegt zugleich, wobei ich grob vereinfachend die Faustregel aufstellen möchte: Besondere Stücke sind zumeist auch in der Erhaltung exquisit, Allerweltsstücke finden sich häufig auch in Allerweltserhaltungen. Das ist schade, denn wie gerne würde man durchgehend Sahneschnittchen sehen, Prachtexemplare, auch von den Folles Constans´ II. Aber es mag dem Sammler auch nützen, denn in den allermeisten Fällen wird ihm z.B. der Standardfollis des Anastasius, Sear 19, Sommer 1.15, in einer vergleichbaren Qualität begegnen, wie sie durch die Exemplare 1.15.2 und 1.15.3 repräsentiert wird. Hier manifestiert sich eine weitere Besonderheit: Sommer zeigt bisweilen mehrere Exemplare desselben Typus, das ist hilfreich beim Entwickeln von Seh- und Bestimmungserfahrungen und interessant ohnehin, auch wenn viele Sammler von einigen Typen, die mehrfach auftauchen, ihrer Lebtag kein einziges Stück in ihre Sammlung werden legen können. - Die Sammlung ist exquisit!
Die Preisvorschläge, abgestuft nach den Erhaltungsgraden s-ss-vz, beziehen sich auf den Preis, den ein Sammler für bereits bestimmte Stücke im Handel (nicht auf Messen, ebay etc.) auszulegen bereit sein sollte. Erfreulicherweise werden bei einigen Münzen auch Unterschiede in den Jahrgängen gemacht. Ein Jahrgang- und Offizinsammeln ist in Byzantinerkreisen zwar nicht gerade weit verbreitet, stellt für eine größer angelegte Sammlung aber natürlich immer eine Entwicklungskonsequenz dar.
Die Abbildungen sind zugunsten des Kontrastes stark aufgehellt, was bedeutet, dass sich das Auge sicher noch oft an den hellen Grundton gewöhnen muss, dafür erhält man aber Bilder zu jeder Münze und in sehr guter Detailqualität. Farbige Abbildungen verbieten sich bei diesem Preis – leider.
Ja, wer so viele Münzen besitzt, der macht sich heutzutage verdächtig, verdächtig der Kulturgüterhamsterei, Schlimmeres inklusive. Aber Sommer kontert dies: Erstens publiziert er seine Sammlung, macht sie für Forscher und Sammler gleichermaßen zugänglich, und das zu einem – für ein Fachbuch dieser Kategorie – durchaus erschwinglichen Preis. Dies können viele, rein zu wissenschaftlichen Zwecken angelegte Studiensammlungen namhafter Forschungsanstalten (Sammeln darf ja keinen Spaß machen, sondern soll dienen, „Hilfswissenschaft“ und so…) nicht von sich behaupten. Und Sommers Sammlung ist bedeutend. Das Werk selbst wartet mit diversen wissenschaftlich verwertbaren („dienen“ und so…) Einschätzungen des Autors auf. Denn in der universitären byzantinischen Numismatik läuft seit Jahren nichts mehr. Dies ist eine der allzu wenigen, auch wissenschaftlich bedeutsamen Äußerungen der letzten Zeit auf diesem Gebiet und in diesem Umfang!
Zweites belegt Sommer Stück für Stück den Erwerb seiner Sammlung: welches Stück, wo, wann erworben? Jeder kann es nachlesen.
Und drittens wurde vor der Publikation jedes Stück nochmals mit der „StolenWorks of Art Database von INTERPOL abgeglichen, um sicherzustellen, dass keine der Münzen irgendwo als gestohlen gemeldet worden ist“ (S.7). Das ist mustergültig, und das gesamte Vorgehen in Zeiten beschlagnahmter Sammlungen auch ein deutliches Zeichen in alle Richtungen.
Der Tatsache, dass es sich hier um die Präsentation einer Privatsammlung handelt, ist auch geschuldet, dass der Kern der byzantinischen Münzen immer wieder durch kleinere und größere Sammelgebiete flankiert wird: Ost- und Westgoten tummeln sich da, ein paar Bulgaren und auch eine sehr umfangreiche Sammlung von Münzen des Kaiserreichs von Trapezunt, einem Gebiet, zu dem Publikationen mehr als Mangelware sind. Von den letzteren abgesehen, sind diese Kleinsammlungen aber eher Schmankerl, als dass sie Bestimmungshilfen darstellen würden - will sagen, dass man in diesen Fällen besser andere Werke zu Rate zieht.
Damit wären auch schon die Punkte eins und drei der obigen Liste abgehandelt. – Kommen wir also zum letzten: „Der Hauptzweck dieses Buches ist, byzantinische Münzen leicht bestimmbar und damit einem weiteren Publikum zugänglich zu machen“
Das Sammeln byzantinischer Münzen ist in vielerlei Hinsicht eine exotische Sache, aber es könnte sein, dass mehr Leute Spaß und Freude daran hätten, wenn die Einstiegshürden bei der Informationsbeschaffung für viele geringer wären: Die wenigen Bücher hierzu sind fast alle vergriffen, somit schwer erhältlich, deshalb teuer, und zudem fremdsprachig. Das Internet versorgt uns nur spärlich mit hinreichenden Informationen. Sommers Buch senkt diese Hürden deutlich.
Viele byzantinische Münzen sind tatsächlich leicht zu bestimmen, wenn man sehen und lesen kann, was darauf steht. Dies hängt aber an zwei Faktoren, nämlich der Lesbarkeit der Münze und der Lesefähigkeit des Betrachters. Den ersten Punkt versucht das Buch durch gute Münzen und ordentliche Abbildungen zu befördern, aber das ist wohl Ziel einer jeden derartigen Publikation und somit etwas, das man erwarten kann. Außerdem ist die Qualität der Münzen, wie bereits erwähnt und natürlicherweise, recht unterschiedlich. Die eigene, schlecht erhaltene Palaiologenmünze nach der Abbildung von Sommers schlecht erhaltener Palaiologenmünze „leicht“ zu bestimmen, dürfte schwierig werden.
Ob dieses Buch auch die Lesefähigkeit des (angehenden) Sammlers weiter ausbildet, hängt weitestgehend am Leser selbst, wie dieser gewillt ist zu lernen. Das Buch selbst gibt Stützen und Leitlinien hierzu, mitunter aber in knapper Form. Der Einleitungsteil umfasst etwa 15 Seiten. (Die beste EINFÜHRUNG ist für mich nach wie vor Whitting: Münzen von Byzanz! – Leider vergriffen)
Kommen wir also zur Kernfrage: Braucht man dieses Buch?
Um byzantinische Münzen leicht bestimmen zu können, braucht man mehr als dieses oder ein anderes Werk, denn, viele byzantinische Münzen sind eben auch überhaupt nicht leicht zu bestimmen, nicht mit Sear, nicht mit den DOCC und auch nicht mit Sommer, eben weil man nichts darauf erkennen kann oder das Stück total verprägt ist oder, oder, oder.
Trotzdem brauchen Anfänger und Geübte ein Bestimmungsbuch, das Internet bietet keinen echten Ersatz. Brauchte man früher da unbedingt Sears „Byzantine coins and their values“, so hat man heute zumindest die Wahl, welches Buch man sich
zuerst kauft: den Sear oder den Sommer.
Sear ist etwas umfangreicher und jeder kennt ihn, auch international. Außerdem bietet er detailliertere Informationen zu auftretenden Offizin- und Jahresangaben auf der Münze. Sommer hingegen bietet mehr Abbildungen, da jeder Typ abgebildet ist, er ist in Deutsch, aktueller und über jede Buchhandlung problemlos (und im Regelfall günstiger) zu beziehen. Zudem finden sich einige Münzen im Sommer, die wiederum Sear nicht kennt. Jedes ist gut, beide sind besser!
Der Autor erhebt keinen Anspruch, die „dicken Brocken“ (DOC, MIB,…) der Spezialliteratur zu ersetzen. (Mann kann übrigens durchaus würdevoll byzantinische Münzen sammeln, ohne die dicken, teuren Brocken privat zu besitzen.) Die Notwendigkeit für ein Handbuch bleibt.
„Die Münzen des Byzantinischen Reiches 491-1453. Mit einem Anhang: Die Münzen des Kaiserreichs von Trapezunt“ bietet eine große, durchaus repräsentative, bebilderte Auswahl an byzantinischen Münzen, eine kompakte Hinführung zum Thema und den einzelnen Regentschaften mit den wichtigsten Basisinformationen, ein aktuelles, umfangreiches Literaturverzeichnis, erweitert um knappe Referate zum Forschungsstand bei einzelnen Münzen (mitunter sehr spannend) und natürlich Preiseinschätzungen zu jeder Münze in drei Erhaltungsstufen (über die man sich natürlich streiten kann, wobei auch hier gilt: erst mal lesen, was Herr Sommer selbst zu den Preisen sagt, dann gegenprüfen und dann streiten…).
Die Initiative des Battenberg Gietl Verlages für ein solches Projekt ist hoch anzurechnen. Zumal es dem Sammler nunmehr möglich ist, mit drei Büchern des Verlages die Zeitspanne zwischen dem 4.Jhdt.v.Chr. bis 1453 für Rom und Byzanz zu überblicken. Außerdem erschienen unlängst zwei Publikationen zur byzantinischen Siegelkunde.
Unter
http://www.romaion.de ist im Zusammenhang mit Andreas Urs Sommers Buch eine Anlaufstelle eingerichtet worden „um Anfragen und Hinweise der Leserschaft entgegen(zu)nehmen und mit Ihnen diskutieren zu können. Wir sind gespannt und ganz besonders der Autor freut sich auf Ihre Reaktion!“
Gruß Posa